Pädagogischer Elternabend mit Tom de Boer am 22.10.2015

„Wie alt wird ein Tiger?“ „Was frisst er?“

Solche und ähnliche Fragen fallen den Eltern des pädagogischen Elternabends in der Jenaplan-Grundschule ein, nachdem sie gefragt wurden, was es über Tiger herauszufinden gäbe.

Tom de Boer, der aus dem großen Erfahrungsschatz seiner Lehrzeit in der Jenaplan-Pädagogik schöpfen kann, verweilte an der Schule, wo er interessierten Eltern und Pädagogen an seinem Wissen teilhaben ließ.

„Diese Fragen könnte ich Ihnen auch später oder morgen beantworten“, erklärt er und hat damit Recht. Die Dringlichkeit sofort alles darüber wissen zu wollen ist ehrlich gesagt nicht gegeben. So geht es auch den Schülern und Kindern, die nur aus sekundären Quellen lernen sollen, wie z.B. aus Büchern oder über das Internet. Was man dort lernt, bleibt oft auch nicht nachhaltig im Gedächtnis, wie viele aus eigener Erfahrung wissen.

Wie soll man also den Kindern den Tiger wirklich begreifbar machen? Den Zoo besuchen, geht noch nicht weit genug. Also wird ein Anruf in das Stammgruppenzimmer weitergeleitet, in dem einen ungläubigen Schüler erklärt wird, dass nun drei Tiger das Wochenende über in die Schule kommen. Plötzlich war der Wunsch, mehr über Tiger zu erfahren, unmittelbar da und sehr dringend. Vor allem die Information, was sie denn fressen und wie schnell man sichere Käfige bauen könnte, wurde in Windeseile herausgefunden. Natürlich wollte niemand ernsthaft die Tiger holen, aber klar ist, was Tom de Boer zu erklären beabsichtigt:Einer der wesentlichen Punkte der Jenaplan-Pädagogik ist, dass Kinder nur über das Leben lernen. Nur dann bilden sich dauerhaft Synapsen im Gehirn und wenn man sich die Kinder vorstellt, werden sie wohl nie wieder vergessen, was sie an dem besagten Tag über Tiger gelernt haben.

Damit solche Erfahrungen funktionieren, braucht man Zeit. Es gibt eine Zeit zum Ernten und eine Zeit zum Sähen. Wer zu ungeduldig ist, wird nicht das erwünschte Ergebnis bekommen. Auch in den Qualitätsmerkmalen des Jenaplanes ist der erste Punkt, dem sich Tom widmet, die Zeit. Es gibt zwei Arten von Zeiten, die Chronos-Zeit, die wir alle kennen und die über Uhrzeiten geregelt wird. Außerdem die Kairos-Zeit, in der wir uns beispielsweise während eines „Flows“ befinden. Dieser dauert solange er eben dauert und die äußere Zeit (Chronos) ist dabei völlig unbedeutend. Daher gibt es in Jenaplanschulen auch keine Gongs, die den Stundenwechsel anzeigen. Es ist vorher nicht absehbar, ob der Mathematikkurs auch exakt nach 45min und 00 sek tatsächlich vorbei ist. Es dauert solange es dauert.

Das nächste Merkmal ist der Raum. Der Raum ist sozusagen gleichbedeutend mit dem Wohnzimmer der Stammgruppe. Zum Raum gehört auch der Kreis, innerhalb dessen man Blickkontakt hat. So kann sich der Lehrer über die Mimik seiner Schülern vergewissern, ob sie ihm auch noch folgen können. Der Raum ist auch erweiterbar wie eine Zwiebel. Es kann auch die Schule oder die Stadt sein.

Der Gruppenprozess ist ein nächster wesentlicher Bestandteil der Jenaplan-Pädagogik. Es kann die Tischgruppe oder auch die Stammgruppe sein, innerhalb derer man sich bewegt. Tom de Boer nennt Beispiele wie man innerhalb der Gruppe arbeiten kann. Zum Beispiel sollen die Schüler sich selbst fragen, wo sie am Samstag um 14h waren. Dies wird aufgeschrieben und untereinander ausgetauscht. Anschließend sollen die Schüler raten, wer was wann gemacht hat.

Lernen in den Gruppen ist wichtig. Es soll keine Konkurrenz geben, sondern das Gefühl, dass es gut ist, wenn jemand mehr weiß. Dann kann man diesen um Rat fragen und alle profitieren davon. Jeder wird verschieden betrachtet und diese Verschiedenheit wird größer, je länger man in der Schule ist. Dies ist ein Anzeichen einer guten Schule. Von daher gibt es auch keine Noten, da diese wieder vergleichen. Eltern geben ihren Kindern auch keine Noten, wendet Tom de Boer ein.

Aus dem wirklichen Leben sind auch die Basisaktivitäten, die dem Jenaplan Struktur geben. Diese sind Gespräch, Spielen, Arbeit und Feier. Genau diese Punkte sind für eine funktionierende Beziehung wichtig, sei es nun in der Schule oder im privaten Bereich. Wenn es Probleme gibt, dann ist das meist in einem der Punkte begründet.

Der letzte der fünf Punkte der Qualitätsmerkmale ist die Weltorientierung. Letztlich geht es um Erfahrungen, die in der Welt gemacht werden. Alles was von den Pädagogen beigebracht wird, soll dem Leben dienen. Laut Tom de Boer ist der wichtigste Raum die Welt, in dem sich das Leben abspielt.

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